Wie die westliche Welt den Bezug zur Realität langsam verloren hat
Eine Geschichte des Nominalismus und seiner Folgen
Weit verbreitete Slogans und Trends spiegeln oft nur die Spitze des Eisbergs tiefer liegender Philosophien wider.
Beispiele hierfür sind 1) Konzepte wie meine Wahrheit und deine Wahrheit, 2) die Vorstellung, dass es vor allem klimaschädlich ist, absichtlich Kinder zu bekommen, oder 3) das beobachtbare Phänomen von Menschen wie J.K. Rowling, die eine Art soziale mobbing erleiden, weil sie behaupten, dass es für einen Mann grundsätzlich unmöglich ist, eine Frau zu werden.
Man kann sich des Verdachts nicht erwehren, dass hinter den Kulissen schon lange ein ideologisches “Etwas” vor sich geht, wofür diese nur der logische Endpunkt sind.
Bisher habe ich in meinen Posts über Wahrheit und Szientismus diskutiert, dass wir Menschen nur begrenzt in der Lage sind, die Welt zu kennen. Die wichtigste Frage dabei war, ob wir deshalb die Idee der Wahrheit als Wissen über die reale Welt zugunsten des Konzepts der subjektiven Präferenz aufgeben sollten.
Jetzt müssen wir ein verwandtes, aber anderes Thema diskutieren, nämlich ob die Realität überhaupt eine objektive Natur hat. Diese Frage unterscheidet sich vom ersten Thema, auch wenn sie oft zu ähnlichen Schlussfolgerungen führt. Sie stellt nicht die Frage, ob wir etwas über die Natur der Realität wissen können, sondern vielmehr, ob die Realität tatsächlich eine inhärente Struktur hat. Es geht um Nominalismus.
Was ist Nominalismus?
Der Nominalismus lehrt, dass den Dingen keine Natur innewohnt, sondern dass sie ihre Identität und ihr Wesen von außen erhalten, durch menschliches Denken, Kultur oder die Systeme, in denen sie existieren.
Dies ist natürlich keine unbegründete Beobachtung. Beispiele, in denen dies offensichtlich zutrifft, sind Löffel oder Tische. Der Zweck eines Löffels wird ihm von außen auferlegt, wodurch sein Zweck extrinsisch, also außerhalb seiner selbst liegt. Er ist Teil eines Systems, von dem sein inneres Wesen nichts weiß - auch wenn er für den Zweck, für den er verwendet wird, gut geeignet ist.
Man kann nicht sagen, dass der Zweck eines Löffels darin besteht, Menschen beim Essen zu helfen. Das ist nur ein Zweck des Löffels für den Menschen. Man kann ihn auch zum Graben von Dreck oder zur Dekoration verwenden, ohne gegen irgendeine unsichtbare Regel über seinen Zweck zu verstoßen. Das Gleiche gilt für Tische. Einen Tisch kann man zum Essen oder sogar zum Verbrennen benutzen, um die Familie warm zu halten- abgesehen von menschlichen Gesellschaften und Kulturen haben Tische aber keinen objektiven Zweck außerhalb des menschlichen Urteils.
Intrinsischer Zweck und Essenz
Schwieriger zu beurteilen sind die Fälle von biologischem Leben. Aber bevor wir dazu kommen, müssen wir die sehr wichtige Unterscheidung zwischen zwei Arten von Zweck diskutieren. Was wir gerade besprochen haben, ist der Zweck im extrinsischen Sinn. Mit anderen Worten: Zweckmäßigkeit, die von außen zugewiesen wird. Ich kann einen Bleistift für alles Mögliche benutzen, auch zum Schreiben. Aber letztendlich ist es egal, ob ich den Bleistift zum Schreiben, um Löcher in meine Hausaufgaben zu stechen oder um ein Fenster offen zu halten, sein Zweck liegt außerhalb von ihm. Die Natur eines Bleistifts hat keine "Ahnung", wofür ich ihn verwende.
Es gibt aber noch eine andere Art von Zweck, nämlich den intrinsischen Zweck. Dieser Zweck ist nicht die Art von Zweck, die wir den Dingen zuweisen, sondern die natürlichen Ziele, auf die ein Ding ausgerichtet ist. Eine Eichel strebt zum Beispiel von Natur aus danach, eine Eiche zu werden. Das gilt auch wenn sie es nicht schafft. Das bedeutet nicht, dass ich sie für diesen Zweck benutzen muss; das ist einfach das, was eine Eichel von Natur aus tut.
Nach dem Konzept des intrinsischen Zwecks sehen wir, dass eine Eichel den Zweck hat, eine Eiche zu werden. Und zwar nicht, weil ein Mensch oder sogar Gott beschlossen hat, ihr diesen Zweck zuzuweisen, sondern weil es einfach das ist, worauf ihre Natur ausgerichtet ist. Dasselbe gilt z. B. für Elefanten und die Fortpflanzung. Elefanten pflanzen sich nicht fort, weil Gott oder die Menschen es ihnen befohlen haben oder weil die Kultur sie so konditioniert hat, sondern weil sie von ihrer inneren Natur her darauf ausgerichtet sind. Das Konzept des intrinsischen Zwecks ist eine ziemlich intuitive Sichtweise, und sie wurde erstmals von den griechischen Philosophen Platon und Aristoteles präzise und systematisch formuliert.
Im Mittelalter trug der heilige Thomas von Aquin maßgeblich dazu bei, den Aristotelismus im europäischen theologischen und philosophischen Denken wiederzubeleben. Der Haupttrend des christlichen Denkens bis zu diesem Zeitpunkt war neuplatonisch. Das heißt, es gab so etwas wie innere Naturen und die Geschöpfe hatten sie auch, aber diese Essenzen existierten sozusagen abstrakt im Himmel, im Geist Gottes als reine und vollkommene Essenzen (auch Formen benannt). Eine Katze war eine Katze, weil sie an der Form der Katzennatur teilhatte, die im Geist Gottes existiert. Platon beschrieb das menschliche Leben als eine ständige Erfahrung der Illusion, aus der nur die Kontemplation der wahren himmlischen Formen ein Entkommen und wahre Erleuchtung ermöglichen konnte.
Aristoteles war da anderer Meinung. Er glaubte, dass Katzen, Menschen und Elefanten eine Essenz haben, aber dass diese Essenz nicht in einer himmlischen Sphäre oder gar im Geist Gottes existiert, sondern in den Geschöpfen selbst. Essenzen waren keine - und das ist wichtig! - übernatürlichen Wesen. Sie waren nach Aristoteles abstrakte Wesenheiten, die die Identität von Dingen und Geschöpfen ausmachen.
Als Thomas von Aquin im 13. Jahrhundert Aristoteles wieder in das europäische Denken einführte, kam es zu einer Verschiebung, bei der ein Interesse am Lokalen, am Ding an sich und an der Natur entstand. Alltägliche Dinge waren nicht nur Schatten oder Täuschungen, sondern hatten ein wahres Wesen. Die Geschöpfe hatten ein bestimmtes Ziel, nach dem ihre Natur ihre Vollkommenheit erreichte. Das galt auch für den Menschen. Das höchste Gut des Menschen war in seine Natur eingebaut als Ausdruck seines eigenen Wesens. Dies führte dazu, dass man sich darauf konzentrierte, die Natur der Dinge als Ausdruck ihres höchsten Gutes zu respektieren. Der eigentliche Zweck eines Baumes ist es, Samen, Blätter, Wurzeln usw. zu produzieren. Er erreicht diese Ziele nicht immer - vielleicht wird er verdorben oder missbraucht und stirbt schließlich. Aber das ändert nichts daran, dass seine Natur danach strebt. Denke daran - das ist nicht übernatürlich - es ist eine Aussage über die natürliche Welt.
Ockham und der Nominalismus
Kurz nach der Zeit von Aquin war William von Ockham, ein mittelalterlicher Philosoph (13. bis 14. J.h.), anderer Meinung. Ockham lehnte die Vorstellung ab, dass es eine innere Essenz gibt, die das höchste Gut des Menschen ausmacht und seiner Natur innewohnt. (1)
Und warum? Weil dies Gottes Freiheit einschränken würde. Wenn der Mensch ein eigenes, ihm innewohnendes Gut besäße (so wie es das innewohnende Gut einer Sonnenblume ist, zu wachsen und zu blühen), könnte Gott nicht mehr anders entscheiden, was die Vollkommenheit der Menschen ist. Gott müsste sich dann dem höchsten Gut des Menschen unterordnen. Demnach war Gott also begrenzt und unfrei. Seine Souveränität wurde von den aristotelischen Essenzen angegriffen. Ockham lehnte die Idee eines inneren Zwecks oder Wesens ab und entschied sich für ein äußeres Verständnis des Zwecks. Das höchste Gut der Menschen ist genau das, was Gott sagt, weil er es so erklärt und nichts anderes. Er wandte dies auf jede Art von intrinsischer Natur an, ob natürlich oder akzidentell. Nach Ockhams Ansicht sind die Bezeichnungen, die wir für Dinge wie "Mensch", "Baum", "Tier" usw. verwenden, nur Bezeichnungen und Abstraktionen des menschlichen Geistes. Mehr nicht.
Nominalismus und die naturlose Welt
Ockham war einflussreich in der mittelalterlichen Philosophie und seine Gedanken zogen eine Anhängerschaft unter den späteren Philosophen an, die die moderne Welt nachhaltig beeinflusst hat. Obwohl das Konzept des Wesens ein Eckpfeiler verschiedener Institutionen und Glaubensrichtungen wie der katholischen Kirche geblieben ist, hat sich die moderne Welt in einem langen Prozess der ideologischen Veränderung weitgehend von dieser Idee verabschiedet.
Francis Bacon zum Beispiel, der in der Spätrenaissance (1 6./17. Jahrhundert) lebte und als Vater der wissenschaftlichen Methode bekannt ist, hat die Behauptungen des Nominalismus weiter vertreten. Bacon behauptete, dass die natürliche Welt keine inhärente Natur oder Wesenheit besitzt. Er argumentierte weiterhin, dass das einzige Wissen, das über sie erlangt werden kann, in Aussagen über ihre Reaktionen auf empirische Experimente und entdeckte Eigenschaften besteht. Er vertrat dann ein Bild des Universums, das nicht durch eine innere Struktur, sondern durch Gesetze, die ihr Verhalten von außen erzwingen, konsistent funktioniert. Wenn die Menschen diese Gesetze kennen würden, könnten sie mehr lernen und die Natur für ihre eigenen Zwecke nutzen.
David Hume, ein schottischer Philosoph im 18. Jahrhundert, bestritt sogar die rationale Grundlage für das Verständnis der Kausalität. Und warum? Weil es nach seinem nominalistischen Verständnis der Wirklichkeit so etwas wie eine innere Natur oder einen intrinsischen Zweck der Welt und ihrer Objekte nicht gibt, der uns glauben ließe, dass sie notwendigerweise konsistente Wirkungen hervorbringen. Vielmehr handeln die Objekte nach Gesetzen, die ihnen von außen aufgezwungen werden. Ihre Eigenschaften können dies beeinflussen, aber sie bestimmen es nicht. Wir können also nicht sagen, dass das Ereignis A wirklich das Ereignis B verursacht hat, denn das Ereignis A ist letztlich nicht unbedingt etwas, das eine solche innere Beschaffenheit hat, dass es immer so etwas wie B verursachen würde. Wenn man einen Stein in einen Teich wirft, kann das genauso gut eine Explosion und ein wütendes Feuer verursachen wie kleine Wellen und ein "Plopp"-Geräusch.
Das mag jetzt ziemlich absurd klingen. Natürlich hat Hume nicht wirklich erwartet, dass das Werfen eines Steins in einen Teich ein Feuer auslösen würde. Der Punkt ist aber tiefer: Wirkungen folgen nicht zwangsläufig aus ihren Ursachen - das, was wir beobachten ist einfach die Art und Weise, wie die Welt aufgrund der wissenschaftlichen Gesetze des Universums funktioniert. Während frühere Philosophen wie Ockham und Isaac Newton Gott als denjenigen verstanden hatten, der das Verhalten des Universums erzwingt, sah Hume, ein Skeptiker, diese Gesetze lediglich als die Art und Weise, wie unser Universum funktioniert. Bis heute gibt es keinen wirklichen wissenschaftlichen Konsens darüber, warum oder wie die "Gesetze des Universums" funktionieren.
Nominalismus und die naturlose Menschheit
Diese Verschiebungen waren keineswegs auf die Naturwissenschaft beschränkt. Der englische Philosoph John Locke argumentierte schon vor Hume, dass der menschliche Geist eine "tabula rasa" oder unbeschriebenes Blatt sei - der Mensch habe keine angeborenen Ideen. Vielmehr musste unser Bewusstsein seine Form von außen erlangen (oder aufgezwungen bekommen) - was im Prinzip bedeutete, dass das menschliche Bewusstsein alles sein konnte, wozu es geformt wurde.
Friedrich Nietzsche entwickelte daraufhin das Konzept des "Übermensch", des Menschen, der die Launen der Natur überwindet und dem Leben seine eigene Identität, seine Moral und seinen Zweck aufzwingt. Diese Idee wurde in der Postmoderne noch weiter entwickelt. Hier gab es viele Stimmen wie den Philosophen Jean-Paul Sartre, der in seinem berühmten Satz behauptete: "L'existence précède l'essence" (Die Existenz geht der Essenz voraus), was bedeutet, dass es keine inhärente Struktur und Form der Realität gibt, sondern nur das, was wir Menschen ihr geben. Unsere Aufgabe im Leben ist es, uns selbst nach unserem eigenen Empfinden zu gestalten. Die objektive Autorität einer wie auch immer gearteten inhärenten Natur des Menschen wird abgelehnt und durch die menschliche Verantwortung ersetzt, "sich selbst und seine Prinzipien zu schaffen und zu definieren".
In der westlichen Gesellschaft hat es also eine bedeutende und wachsende Verschiebung von einem intrinsischen Verständnis von Zweck und Natur zu einem extrinsischen gegeben. Während man früher Gottes Gegenwart in einer geordneten Natur sah, die seinen Willen aus eigenem natürlichen Antrieb zu erfüllen suchte, sah sich die Gesellschaft nun in einem gesetzesgesteuerten und mechanischen Universum, das lediglich eine Ansammlung von Atomen, die auf bestimmter Weise auf verschiedene Stimuli reagiert.
Als Gesellschaft, besonders im Hinblick auf die Menschheit, schauen wir nicht mehr auf das Ding an sich, um seine Identität, seinen inneren Zweck, sein Wesen und seine Vollkommenheit zu erkennen. Stattdessen weisen wir, die äußeren Akteure, uns selbst unsere eigenen Ziele zu und geben unserem eigenen Leben einen Zweck und eine Struktur. Identität und Zweck werden demnach von der bestimmenden Agent zugewiesen, und ergeben sich nicht von der Natur des Dings selbst. Und so hat der Nominalismus eine ganz praktische Bedeutung.
Denn unter diesem Blickwinkel machen viele der Bewegungen des letzten Jahrhunderts plötzlich mehr Sinn. Die Versuche, die menschliche Natur nach unserer eigenen Ideologie "umzugestalten", haben sich bewährt - unterstützt durch den technischen Fortschritt, der uns von der Notwendigkeit befreit hat, traditionelle soziale Rollen zu übernehmen, um zu überleben.
Obwohl viele dieser Bewegungen gegen die Mauer der - doch existierenden — menschlichen Natur gestoßen sind und dies auch weiterhin tun, ist das Projekt noch nicht am Ende. Dennoch zeigen sich allmählich die Risse in der Fassade von Bewegungen wie dem radikalen Transgenderismus, dem liberalen Feminismus (2) und dem radikalen Individualismus. Diese zeigen sich vor allem in den realitätsfremden und widersprüchlichen Schlussfolgerungen, zu denen sie über die Menschheit kommen, sowie in der Desillusionierung, die viele von ihren ehemaligen Anhänger zu spüren bekommen haben.
Das ist nur zu erwarten, wenn man versucht, dem Menschen ein fremdes Gedankengerüst aufzuzwingen, in der Annahme, er sei ein reiner "unbeschriebenes Blatt" und habe kein bestimmtes Wesen und Vollkommenheit, die ihm widersprechen könnte. Das mag eine Zeit lang funktionieren, aber am Ende fällt es auseinander. (3)
Das Problem mit dem Nominalismus und der damit einhergehenden mechanistischen Theorie des Universums ist, dass er viele fatale Einwände hat und kritische Fragen wie "Kann es individuelle Dinge geben?" oder "Ist Veränderung möglich?" nicht beantworten kann.
Sie trägt auch nicht unserer starken Intuition Rechnung, dass viele Dinge in unserem Universum wirklich ein höchstes Gut haben und dass es unabhängig davon, wie die Kultur sie dargestellt hat oder was wir über sie denken, einige Dinge gibt, die wirklich gut für sie sind und einige, die wirklich schlecht für sie sind. Die Klimabewegung zum Beispiel basiert auf der Vorstellung, dass es tatsächlich so etwas wie einen Missbrauch der Erde gibt und dass das "Gute" oder die "Vollkommenheit" der Natur darin besteht, sie nicht mit CO2-Gasen zu überschwemmen.
Ist es nicht auch möglich, dass wir als Menschen eine ganz bestimmte Natur haben, die je nach Lebensweise gedeiht oder verwelkt?
Meiner Meinung nach hat der Nominalismus einige gute Erkenntnisse über die universalisierende Natur der Sprache; er kann auch einige dekonstruktive Beiträge zur Gesellschaft leisten, die uns helfen zu erkennen, wo rein menschliche Konstruktionen liegen. Aber ich denke, er geht zu weit und wird zu einer Art blindender Smog um uns herum, der die reale Welt verdunkelt und die wahre Natur der Dinge nicht erkennt.
Eine Glorifizierung der Freiheit
Es gibt jedoch eine wichtige Erkenntnis, die sich in Ockhams Ablehnung des inneren Zwecks und auch in vielen Bewegungen im Laufe der Geschichte zeigt. Nämlich, dass ein verzerrtes oder überglorifiziertes Verständnis von Freiheit die philosophische Wahrnehmung der Welt verzerren und zu einer ernsthaften Entfremdung von der Realität führen kann. Gott ist nicht weniger frei, weil er an die Natur seiner eigenen absichtlichen Schöpfung gebunden ist, als ich unfrei bin, weil ich mich entschieden habe, x zu tun und deshalb per Definition nicht gleichzeitig nicht-x tun kann. Die Realität selbst legt uns Beschränkungen auf, denen wir nicht entkommen können.
Nach einer langen Geschichte von Entwicklungen (ob verlässlich oder nicht) in diese Richtung leben wir heute in einer Gesellschaft, die so stark von der Idee der vollständigen und radikalen Freiheit geprägt ist, dass wir mit der Idee der Wahrheit selbst desillusioniert sind, weil sie uns an eine unveränderliche und unnachgiebige Realität bindet. Wenn wir an die Realität gebunden sind, sind wir nicht "frei", zu glauben, was wir wollen, und unser Leben so zu gestalten, wie es uns gefällt.
Aber wenn die Verfolgung der Freiheit von uns verlangt, dass wir uns von der Realität loslösen, dann ist unser Verständnis von Freiheit vielleicht verzerrt.
Wir müssen erkennen, dass etwas zu "sein" zwangsläufig bedeutet, seine Negation nicht zu sein. Jede Gesellschaft oder jedes Individuum, das völlige Freiheit als höchstes Gut ansieht, muss sich letztlich selbst zerstören. Der Versuch, alles zu sein und zu haben, endet letztendlich damit, nichts zu sein.
Denn Zweck, Identität, Kultur, Glaube oder moralische Grundsätze jeglicher Art verringern zwangsläufig die eigene Freiheit - selbst wenn sie das sind, was uns das echte Leben bringt.
Fußnoten:
Ockhams Ablehnung von Essenzen basierte auf anderen Gründen, wie z. B. der Überlegung, dass kognitive und konnotative Bezüge ausreichen, um Universalien zu erklären, und dass es nicht notwendig ist, irgendetwas Metaphysisches zu postulieren, um universelle Naturen zu erklären.
Liberaler Feminismus ist ein technischer Begriff, der sich vom radikalen Feminismus unterscheidet. Auch wenn die Ziele des liberalen Feminismus vernünftiger sind als die des radikalen Feminismus, vertritt er immer noch die Idee, dass die Natur der Frauen absolut dasselbe ist wie das der Männer, aber durch gesellschaftliche Erwartungen anders geformt wird. In Wirklichkeit ist dies realitätsfremd und führt zu enormem Leid und Enttäuschung bei Frauen. Davon profitieren in erster Linie die Männer, die eine Kultur genießen, die von den Normen der männlichen Sexualität geprägt ist (im Namen der sexuellen Aufklärung) und ihren exponentiell höheren Sexualtrieb praktisch folgenlos ausleben, während von den Frauen erwartet wird, dass sie sich dieser Forderung anpassen, auch wenn die Sexualität für Frauen weitaus mehr Folgen hat, sowohl äußerlich (Schwangerschaft) als auch emotional. Siehe “The Case Against the Sexual Revolution” von der Feministen Louise Perry.
Bitte beachte, dass ich hier nicht behaupte, dass die Menschen eine ganz bestimmte Struktur haben, nach der sie ihr Leben leben sollen, die ausschließlich mit traditionellen Lebensformen übereinstimmt. Das würde zu weit gehen. Aber die Tatsache, dass es ein Fehler ist, zu versuchen, eine starre Konformität mit traditionellen Rollen und gesellschaftlichen Strukturen wiederherzustellen, bedeutet nicht, dass es kein Fehler ist, alle Versuche zu verwerfen, herauszufinden, was wirklich die richtige Erfüllung der menschlichen Natur ist - und genau das ist der springende Punkt. Aristoteles zum Beispiel hat nie gelehrt, dass wir alles über die Essenz eines Wesens wissen können, indem wir nur darüber nachdenken. Um zu verstehen, was wir Menschen eigentlich sind und wie wir leben sollen, sollten wir forschen, nachdenken und - für Christen - die Heilige Schrift zu Rate ziehen.
Literatur zu diesem Thema:
Scholastic Metaphysics, Edward Feser
Real Essentialism, David Oderberg
Ein Säkulares Zeitalter, Charles Taylor